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Die “Recharging”-Lüge

Als operativer CEO und Serial Entrepreneur sehe ich verschiedenste Verhaltensmuster von Menschen und nehme deren Einfluss auf das gesamte Ökosystem im Unternehmenskontext wahr. Ich mache mir viele Gedanken über den Umgang mit diesen Verhaltensmustern und fasse in dieser Postingreihe meine Gedanken dazu zusammen, um meine Erfahrungen zu teilen und damit eine Quelle der Inspiration und offenen Diskussion zu schaffen.

Ich widme diesen Post dem oft strapazierten Thema der Überbelastung durch Arbeit. Oft wird dies mit dem Krankheitsbild "Burnout" gleichgesetzt und ganz entspannt in einer lockerer Konversation eingebettet. Dieser Post fokussiert sich jedoch auf die Prävention, zielt darauf ab, für das Erkennen von Anzeichen zu sensibilisieren und gibt Hinweise auf mögliche Strategien, um schwerwiegenden Folgen entgegenzuwirken. Mein Post richtet sich speziell an Führungskräfte, Leistungsträger und Unternehmer, die früher oder später mit dem Thema Überlastung in Berührung kommen werden.

Als CEO sehe ich mich auch dafür verantwortlich, mich um die Gesundheit meiner Kolleginnen und Kollegen zu kümmern. Gerade in Skalierungsphasen eines Unternehmens gibt es einen sehr schmalen Grat zwischen guter Auslastung (die Basis für organisches Wachstum) und Überlastung durch Arbeit. Die aktuelle Situation mit einer weltweiten Pandemie, drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und damit Auswirkungen auf das Privat- und Arbeitsleben machen die Situation sicher nicht einfacher.

Burnout? Nicht mit mir!

Auf der Suche nach Schutz- und Präventionsmaßnahmen und nach der Hauptursache für das Gefühl des Ausgebranntseins bin ich schnell auf das Fachgebiet der Generationenforschung gestoßen. Es gibt viele Kommentare im Internet, in denen vor allem Menschen zwischen 20 und 40 Jahren von der Gefahr des Ausgebranntseins berichten.

Durch die Arbeit mit vielen sogenannten Millennials (alle Personen, die zwischen 1981 und 1996 geboren wurden, gilt als Millennial zählt zu der Generation Y) habe ich gelernt, dass diese Altersklasse voller Tatendrang, Kreativität und Ehrgeiz ist. Manchmal bis zu einem fast selbstzerstörerischen Ausmaß. Also habe ich mich auf diese Altersklasse fokussiert und versucht, die Ursachen hinter dem Zusammenhang zwischen Arbeitsüberlastung, Burnout, Depression und der Verbindung zur Generation Y (aka Millennials) besser zu verstehen.

Dazu habe ich das Buch von Anne Helen Petersen gelesen. Es gab mir einige sehr interessante Einblicke, wo die Schwachstellen einer ganzen Generation liegen sollen.

Eine ganze Generation von Ausgebrannten. Wirklich?

Das Thema beschäftigt mich in meinem eigenen Interesse und ich habe mir die Frage gestellt: Was können wir tun, um Menschen dabei zu helfen vorzubeugen oder gar das Gefühl zu überwinden, ausgebrannt zu sein?

Im Begriff Petersens Blick auf eine ganze Generation zu reflektieren, habe ich mich oft dabei ertappt, wie ich (offensichtlich Teil der Generation Y) Attribute wie überlastet, unterbezahlt und sogar teilweise gelähmt durch systemische Dysfunktionalitäten durch unsere zunehmend unvorhersehbare Welt auf mich selbst oder mein Umfeld übertragen habe. Petersen beschreibt sogar, dass die Menschen nicht mehr in der Lage sind, alltägliche Dinge wie Rechnungen zu bezahlen oder sich für Wahlen zu registrieren.

Aber ehrlich gesagt widerspricht das total meinen Vorstellungen und ich bin nicht damit einverstanden, dies für das Schicksal einer ganzen Generation zu verallgemeinern. Burnout ist eine ernste und weit verbreitete Gefahr, aber definitiv kein "Muss" einer Altersgruppe.

Zurück zum Thema. Wie geht man mit Burnout um?

Sucht man im Internet nach Strategien gegen Arbeitsüberlastung, läuft der häufigste Ratschlag für den Umgang mit dem Gefühl, ausgebrannt zu sein, auf "weniger arbeiten" hinaus.

Als Unternehmer nähere ich mich dem Thema aus einer präventiven Perspektive und erhebe in keinster Weise den vermessenen Anspruch, einen Ansatz zu finden, der eine ernsthafte Krankheit wie Burnout heilen kann. Aber ich halte es für sinnvoll, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die im Falle einer drohenden Überlastung zur Option stehen und damit letztlich einem echten Burnout entgegenwirken.

Die meisten Definitionen zeigen, dass das Gefühl massiver Müdigkeit nur eine von drei Dimensionen bei einem Burnout ist. (Die anderen beiden sind Entfremdung von der (beruflichen) Tätigkeit und ein vermindertes Gefühl der beruflichen Wirksamkeit).

Um es gan klar zu sagen: Nachdem ich in den letzten Jahren 7 Unternehmen aufgebaut habe, habe ich gelernt, dass nächtliche Arbeit und übermäßig lange Arbeitszeiten kein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür sind, um Unternehmen zum Erfolg zu führen. Und das habe ich definitiv auf die harte Tour gelernt. Die beiden anderen Dimensionen, die zum Burnout führen, werden aus meiner Sicht aber nicht durch ein hohes Maß an Arbeit verursacht, sondern dadurch, dass man sich mit sinnlosen und damit falschen Dingen beschäftigt.

Konzentriere Dich auf 4 einfache Dinge, um Kreisläufe zu durchbrechen.

Ich glaube, dass die plumpen Ratschläge, weniger zu arbeiten, keine Arbeit mit nach Hause zu nehmen und in Selbstliebe zu investieren, kein Ausweg sind. "Lade deine Batterien auf" - c'mon, wir sind keine Roboter, die an einen USB-Slot angeschlossen werden müssen.

Kreisläufe zu durchbrechen ist der Ansatz, den ich wähle, wenn ich das Gefühl habe, dass ich in einen Tunnel zu fallen drohe, aus dem es keinen Ausweg gibt. Und um einen Kreislauf effektiv zu durchbrechen, brauchen Sie einen klaren Plan, wie Sie in Aktion treten und wieder zu einem Sinn in Ihrem Leben finden können.

Wenn Du mit dem Gefühl von Burnout zu kämpfen hast (oder jemand in deinem Umfeld), sind hier 4 Gewohnheiten, um den Kreislauf zu durchbrechen und ein gewisses Maß an Bedeutung innerhalb und außerhalb der Arbeit wiederzufinden:

1. Verbinde Dich wieder mit deinem sozialen Netzwerk

Ich weise ganz klar darauf hin: das heißt nicht, dass Instagram zum hundertsten Mal zu öffnen. Verbinde Dich wieder mit deinen sozialen Bindungen. Etwas Zeit mit engen Freunden zu verbringen, erinnert daran, dass Du auch jenseits des Arbeitslebens ein wertvoller Mensch bist. Und sei Dir sicher. Echte Freunde relaten immer, auch wenn ihr lange Zeit keinen Kontakt hattet.

Fokussiere Dich auf Verbindungen außerhalb deines Arbeitsumfelds. Und ziehe in Betracht, ein soziales Ritual zu initiieren. COVID-19? Ja, ich weiß. Aber sei kreativ! Plane z.B. einmal im Monat ein Online-Dinner mit deiner Familie und binde deine Familie mit ein. Das schafft Quality Time, die weit über den Genuss eines Spa-Besuchs hinausgeht.

2. Beweg Dich!

Ich weiß, was wenig Zeit für Workouts bedeutet. Aber eine der besten Möglichkeiten, dem mentalen Tunnel zu entfliehen, ist es, mentale und körperliche Belastung in Balance zu bringen. Ich werde jetzt nicht darüber schreiben, wie man die richtige Art des Trainings findet, aber ich kann sagen, dass auch hier die Digitalisierung verschiedene Möglichkeiten eröffnet. Verbindet man Gewohnheit 1 mit 2 und Du kannst per Zoom Call mit deinen Freunden auch in Zeiten ohne Kontakt trainieren.

Wenn Du es nicht schaffst, Dich zum Trainung zu motivieren und die Hürde zu hoch ist, kann ich das schon nachvollziehen. Dann rate ich, dass Du dich nach einem geeigneten Online-Coaching umsiehst. Egal, ob Du auf Personal-Training-Apps zurückgreifst oder sogar in ein persönliches Coaching investierst, es wird sich eine Routine einschleichen und Dir helfen, ein mentales Gleichgewicht zu schaffen. Mir hat übrigens ein Coaching sehr geholfen, um Unterstützung bei der Planung meiner knappen Zeit mit hocheffektiven Trainingszeiten zu bekommen.

Du schaffst es nicht, das Training zu Hause zu absolvieren? Sprich mit deiner Firma. Oft sind Firmen offen dafür, Sportprogramme in den Arbeitsplan zu integrieren.

3. Ziele neu formulieren!

Ein Job mit Engagement und Einsatz zu machen, ist der Schlüssel, um einen Job gut zu machen. Egal, ob Unternehmer oder Intrapreneur. Aber wenn Du dich von massiv ehrgeizigen Zielen leiten lässt, kann das dazu führen, dass Du mehr Schmerz als Zufriedenheit empfindest, selbst wenn Du deine Ziele erreichst.

Ich bin ein Freund des kontinuierlichen Fortschritts. Das bedeutet, sich an die Theorie der kleinen Verbesserungen zu halten.

Wenn der Fortschritt kontinuierlich erreicht wird, auch mit kleinen Schritten, hält das die Motivation hoch. Das Erreichen eines Ziels wird oft durch eine Überforderung mit zu viel Komplexität verhindert.

In diesem Zusammenhang kann ich das Buch von Andri und Gieri Hinnen empfehlen, das einige hilfreiche Gedanken zum Reframing von Komplexität liefert. Und eine Abstraktion dieser Ratschläge auf deine Ziele kann wirklich enorm effektiv und hilfreich sein. Da es sich hierbei um eine Super-Power-Skill handelt, werde ich in einem der folgenden Posts einen Deep-Dive in dieses Thema machen.

4. Einen Beitrag für andere leisten

Sinnhaftigkeit im eigenen Dasein zu erreichen, ist ein Thema, über das man ganze Bücher füllen kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade dann, wenn man bereit ist, "zu geben", das, was man zurückbekommt, ein erster Schritt zur Erzeugung oder sogar Wiederherstellung von Sinnhaftigkeit ist.

Es ist völlig unerheblich, ob man sich als Trainer in einem Sportverein, in der Nachbarschaftshilfe, in humanitären Hilfsprojekten oder in anderen sozialen Bereichen engagiert. Hinter allen Aktivitäten steht in erster Linie Anstrengung und Arbeit für sich selbst. Doch Engagement wird in den seltensten Fällen nicht belohnt. In den meisten Fällen mit der Bestätigung einer sinnvollen Tätigkeit. Und ab da gilt: Wenn man die richtige Tätigkeit für sich identifiziert hat, ist das ein mächtiges Werkzeug, um Kreise der Monotonie zu durchbrechen.

Und das war's? Kein Burnout mehr?

Das wäre anmaßend. Dieser Beitrag ist weit davon entfernt, ein Heilmittel für eine bestehende, ernsthafte, weit verbreitete und sehr gefährliche Krankheit zu sein. Ich wiederhole mich. Wem dieser Ratschlag lächerlich oder sogar viel zu groß erscheint, für den ist es sicherlich an der Zeit, professionelle Maßnahmen gegen die fortschreitende Überlastung zu ergreifen. Die Perspektive aus präventiver Sicht ist vielleicht nicht mehr die richtige.

Ich stelle die These auf, dass Verallgemeinerungen oft Raum für eine (möglicherweise falsche) Kategorisierung von Problemen eröffnen, die entweder durch eine Änderung von Verhaltensmustern verhindert werden können oder es bestehen erhebliche Probleme, die professionelle Hilfe erfordern. Wie auch immer. Das Aufladen der Batterien durch einen Wochenendtrip in die Alpen und die Reduzierung der Wochenarbeitszeit kann kurzfristig helfen.

Aber auf lange Sicht: Das wird Dir nicht den Sinn deiner Existenz in der Arbeit und noch weniger im Leben im Allgemeinen zurückgeben.

Was ich gelernt habe, ist, dass es manchmal nur einen Perspektivwechsel braucht, einen Gedanken, um eine Veränderung anzustoßen. Rücksichtnahme auf sich selbst und die Menschen um einen herum, die Sensibilisierung für ein Tabuthema in einer Leistungsgesellschaft und die Gewissheit, dass das Ausbrechen aus Kreisläufen ein Weg ist, dem Burnout zu begegnen, sind Dinge, die ich im Umgang mit dem Thema gelernt habe.


cheers
MB
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